Kultur & Wein

das beschauliche Magazin

VOLLTREFFER mit Kunstwerken der gezeichneten Satire


Hans Reiser, Amazone und bayrischer Satyr, o.D. (c) Hans Reiser/ Sammlung Grill

Highlights aus der Sammlung der Münchener Meisi und Helmut Grill

Nicht erst seit Wilhelm Busch bietet die Isarstadt mehr als Bier, Weißwurst und Gemütlichkeit. München war und ist ein Treffpunkt brillant spöttischer Geister. Sie trafen sich unter anderem im „Etcetera“, einem Kuriositätenladen, der seinen Namen dem Einfallsreichtum von André Heller verdankt und als Spezialitätenhandlung ersten Ranges für satirische Objekte und patriotische Bavaricas namhafte Gäste in sein buntes G´wölb lockte. Die Besitzer, das Ehepaar Meisi und Helmut Grill, verscherbelten künstlerisches Porzellan und selbstverlegte Bücher an Uschi Glas, dem Bundespräsidenten Walter Scheel und – hier kommen wir der Sache nun sehr nahe – an Meister der spitzen Feder wie Bernhard-Viktor Christoph-Carl von Bülow, besser bekannt unter dem Kürzel Loriot. „Ich bin gegen alles!“, aufgedruckt auf einem T-Shirt wurde vom Stern in großer Auflage bestellt, dem „Ich ertrage nur das Glück“ als Zitat von Jean-Jacques Sempé und „Fürchtet Euch nicht vor Meister Grill!“ von Janosch folgten. Sis M. Koch und Paul Flora gestalteten Porzellane mit ironischen Mustern, die mit Franziska Bileks bayerischer Freiheitsstatue in Schmunzelkonkurrenz traten. Ein Umzug des Ladens in die Villa Stuck brachte die Angelegenheit schließlich in Rollen. Als Haus der Kunst musste solche dort auch ausgestellt werden.   „Unsere erste Ausstellung in der Villa Stuck, ,Amerika´ von Toni Ungerer, war das Gesprächsthema in München. Es ging Schlag auf Schlag – plötzlich waren wir Galeristen und weitere Künstler kamen“, erinnert sich Helmut Grill. Seine Gattin Meisi ergänzt: „Wir waren schon immer kunstaffin und hatten auch schon die eine oder andere Satire gesammelt. Die erste Vernissage in der Villa Stuck hat unsere Sammelleidenschaft für komische Kunst beflügelt.“ In der Zwischenzeit sind daraus etliche hundert Kunstwerke geworden, geschaffen mit dem Ehrgeiz, darin alle wichtigen satirischen Künstler Europas vertreten zu wissen.


Unter dem Motto „VOLLTREFFER“ hat nun der künstlerische Leiter des Karikaturmuseums Krems, Gottfried Gusenbauer, knapp 200 Arbeiten von 42 Künstlern ausgewählt, um sie, versehen mit dem Untertitel „Satirische Meisterwerke aus der Sammlung Grill“, bis 1. November 2021 einer bereits nach leichtverdaulicher Kulturkost lechzenden Öffentlichkeit zu zeigen. Abgesehen vom Genuss, in den Mappen mit durchwegs bissig bis bösen Sujets wählerisch blättern zu dürfen, darf der Direktor diese Ausstellung auch als Geburtstagsgeschenk an sein Haus betrachten. Das Karikaturmuseum Krems ist heuer 20 erfolgreiche Jahre alt. Sein Gründer Manfred Deix hätte seinen Spaß an Paul Floras tragikomischen Traumwelten, an den frechen und so menschlichen Tierdarstellungen von Rudi Hurzlmeier oder an der von Hans Reiser erschaffenen kriegerischen Amazone, die dem bierernsten bayerischen Zentauren die Sporen zu geben versucht.

 

Für jeweils einen „Exkurs“ sorgen „Herr Wondrak von Janosch“ unter #6 (bis 20. Jänner 2022) und Gerhard Haderer unter #7 (bis 1. November 2021). Haderers Werke stammen aus den Landessammlungen Niederösterreich und sind als gedankliche Vertiefung zu „Volltreffer“ gedacht. Es sind durchwegs seine wunderbar altmeisterlich gemalten Spitzen zu zeitlosen Unsitten unserer Gesellschaft. Sie reichen von einer gealterten Pippi Langstrumpf, die sich mittels Botox zu verjüngen versucht hat, bis zum letzten Konditionstraining einer durch und durch unsportlichen Familie vor Ferienbeginn. Janosch dagegen lässt uns mit seinem berühmten Antihelden Wondrak rührend nach Zielen suchen, die er sich nie gesteckt hat.

 

Zuletzt noch einmal die gefeierten 20 Jahre! Und ausschließlich mit „Schätzen“ aus den Landessammlungen NÖ. Kein großes Fest zum freudigen Anlass – wir wissen sattsam, warum –, aber zumindest eine Sonderausstellung bis 30. Jänner 2022, die den Bogen mit Bildergeschichten von den 1920er-Jahren bis herauf ins 21. Jahrhundert mit dem Lochgott eines Rudi Klein spannt. Erweckt wird darin Nostalgie über bewältigte Krisen, vergessene politische Umtriebe und die Metamorphose des Österreichers in eine Deixfigur. Oder anders gesagt: In der Karikatur handelt es sich um die Vermittlung von historischem Wissen, wie es wahrer nicht wiedergegeben werden kann.


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