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das beschauliche Magazin

SEHNSUCHT FERNE Aufbruch in neue Welten


Ausstellungsansicht Sehnsucht Ferne © Klaus Pichler

Nostalgische Erinnerungen an Reisen als ungewisses Abenteuer

Man muss tief eintauchen in eine gewaltige Menge an Objekten, um die dicken Mauern der wehrhaften Schallaburg zu überwinden und in der Phantasie in die Weiten fremder Erdteile zu entfliegen. Die Ausstellung „SEHNSUCHT FERNE –Aufbruch in neue Welten“ (bis 7. November 2021) hat wenig gemein mit dem Anstellen an die Gates der Flughäfen und den organisierten Shuttlebussen am Zielort, die den heutigen Menschen in sogenannte Traumhotels karren, um ihn dort mit vorgespielter Folklore angebliche Exotik erleben zu lassen. Reisen ist zu einem wohlfeilen Massenprodukt verkommen, das uns derzeit zwar ordentlich abgeht, aber bestimmt bald wieder all denjenigen offensteht, die meinen, sich mit ein paar Euro die Welt kaufen zu können. Was den Besucher heuer auf der Schallaburg erwartet, ist ein spannender Blick auf das Fernweh vergangener Tage. Wenn wagemutige Männer und erstaunlich viele Frauen den Schritt auf die Planken eines Segelschiffs getan haben, war ungewiss, ob sie dieses auf der anderen Seite des Ozeans auch heil verlassen würden. Es war nicht immer lauteres Fernweh, das Menschen in die Welt hinaus trieb. In vielen Fällen war es Habgier, wie beispielsweise in Mexiko und Südamerika, wo jeweils eine Handvoll Konquistadoren ganze Völker ausrottete, um an ihr Gold zu gelangen. Nicht immer lagen derart niedrige Motive einer Reise in ferne Gefilde zugrunde. Forscher schauten sich in neu entdeckter Tier- und Pflanzenwelt um und Anthropologen fanden sich fasziniert mit steinzeitlichen Kulturen konfrontiert, deren Hinterlassenschaften studiert und von der überheblichen Position einer vermeintlich hochstehenden Zivilisation bewertet wurden. Es gab also viele Gründe, sich dem Risiko einer Fernreise auszusetzen, aber Gefahren und anderes Ungemach wurden seit Urzeiten in Kauf genommen, um der Enge einer sicheren Heimat entfliehen zu können und nach erfolgreicher Expedition möglicherweise sogar als Held gefeiert zu werden.

Karte von Feuerland, Barent Jansz Potgieter © Akademie der Wissenschaften

Am Anfang des Rundgangs steht der romantische Blick, den Künstler wie Thomas Ender in Kupferstiche gebannt haben und damit zuhause Träume generiert haben, die bis in unsere Tage die Klischees in den Reiseprospekten bestimmen. Für den ersten Raum der Ausstellung sollte man sich die meiste Zeit nehmen. Er bietet das nötige intellektuelle Rüstzeug für die weitere Fahrt durch eine vom Abenteuer geprägte Vergangenheit. Es sind die Reiseutensilien, wie sie die Schriftstellerein Alexandra David Neel bei ihrem Besuch als erste Europäerin in der verbotenen Stadt Lhasa in Tibet oder Kronprinz Rudolf auf seiner Brasilienexpedition benötigt hat. Kompass, Sextant und noch sehr ungenaues Kartenmaterial mussten ausreichen, um die jeweils gesteckten Ziele in den weißen Flecken auf dem Globus zu erreichen. Großer Raum wird der Novara eingeräumt, die 1857 vom Kaisertum Österreich als offizielles Forschungsschiff aus aufgebrochen ist und in drei Jahren die Erde umrundet hat. Ein Modell des umgerüsteten Kriegsschiffes, ein Bild von einer der Kajüten und als Hands up ein Steuerrad schaffen bei Jungen und Alten gesteigertes Interesse.

Es folgen der kritische Blick auf die brutale Eroberung, der mit dem vielsagenden Wandspruch „Gold gegen Viren“ kommentiert wird, aber auch die charmanten Ergebnisse der Sammelleidenschaft, wie sie auf Schloss Ambras zum ersten Museum unter dem Tiroler Landesfürsten Ferdinand und seiner klugen Gattin Philippine Welser geführt haben. Über Gedanken zu „Wir und die anderen. Selbstbildnis versus Fremdbild“ und den Begegnungen Totenkulturen der alten Ägypter und dem leibhaftigen Treffen mit einer Mumie geht es in die Museen wie das Weltmuseum in Wien, dessen Sammlungen überreich sind von Mitbringseln wagemutiger und fleißiger Wissenschaftler, die als Ethnologen den sesshaften Mitbürgern die weite Welt erklären wollten. Deren Wirken ist mittlerweile obsolet geworden, wie man an einer Hörstation feststellen kann. Aus dem Lautsprecher tönen Stimmen in fremden Sprachen, wie man sie längst in Wiener Straßenbahnen tagtäglich vernimmt. Wenn man sie nicht versteht, ist das allerdings nur das Zeichen dafür, dass wir trotz spottbilliger Flüge und verführerischer Angebote weder Welt noch Reisen wirklich verinnerlicht haben.


Kompass verm. Italien, 17. Jh. © Dubrovnik Museum


Eingangsbereich der Schallaburg


Thomas Ender, Der Zuckerhut © Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste Wien
Astronomisches Messgerät 1761 © Esterhazy Privatstiftung


Tafelaufsatz in Schiffchenform, Wunderkammer Schloss Ambras © KHM Wien


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